Energiepolitik 2025: Weichenstellung für die Zukunft
Jan-Oliver Heidrich erläutert im Interview wichtige politische Entwicklungen und wagt Prognosen, was wir in den nächsten Monaten zu erwarten haben.

Das Jahr 2025 ist energiepolitisch ein noch unbeschriebenes Blatt. Eine neue Bundesregierung wird neue Schwerpunkte setzen.
Jan-Oliver Heidrich, EHA-Geschäftsführer und Vorsitzender des Energieausschusses beim Handelsverband Deutschland (HDE) erläutert im Interview wichtige Entwicklungen und wagt Prognosen, was wir in den nächsten Monaten zu erwarten haben.
Der Bundestag hat Ende Januar ein Paket mit mehreren Energierechtsreformen verabschiedet. Unter anderem soll es künftig keine EEG-Vergütung mehr für Strom aus Erneuerbaren Anlagen geben, wenn hohe Einspeisemengen am Strommarkt zu negativen Strompreisen führen. Wie bewerten Sie diese Beschlüsse?
Grundsätzlich müssen die Preissignale des Marktes auch für die Erneuerbaren gelten. Ist das Angebot zu hoch, macht eine Förderung keinen Sinn. Die Anlagenbetreiber haben ansonsten keinerlei Anreiz, sich marktkonform zu verhalten.

Die deutschen Stromnetze sollen durch Speicher stabilisiert werden, um die Schwankungen in der Grünstromerzeugung auszugleichen. Die Netzbetreiber berichten von Anträgen für Großspeicherprojekte mit sage und schreibe über 160 Gigawatt Gesamtleistung. Wird unser Energiesystem also schon bald flexibler und sicherer?
Heidrich: Der Antrags-Boom für Großspeicher ist durch immer preisgünstigere Batterien und PV-Anlagen begründet. Unsere Stromnetze sind dafür aber gar nicht bereit, denn wir haben in Deutschland regional sehr unterschiedlichen Speicherbedarf, jedoch nur ein Preissystem. Die kommerziellen Interessen der Speicherbetreiber können zudem den Interessen der Netzbetreiber zuwiderlaufen. Großspeicher helfen den Netzen nur, wenn sie volkswirtschaftlich betrieben werden. Eigentlich wären die Netzbetreiber die „natürlichen“ Speicherbetreiber, was jedoch die Entflechtungsregeln der Bundesnetzagentur verhindern.
Nordrhein-Westfalen hat gerade ein Energiespeicherkonzept präsentiert, mit dem das Bundesland eine Vorreiterrolle beim Ausbau einnehmen will. Was ist von den geplanten Maßnahmen zu halten?
Heidrich: Die Initiative in NRW hat löbliche Absichten, denn wir brauchen die Speicher. Aber zuerst müssen das Ziel einer Speicheroffensive und die Frage ihres Betriebs geklärt werden. Die Speicher lassen sich schließlich netzorientiert, marktorientiert oder eigenbedarfsorientiert betreiben. Da gibt es viele Unsicherheiten.
Mehr Speicherkapazitäten wären auch ein Rezept gegen die negativen Strompreise, die zuletzt häufiger auftraten. Werden wir bald noch öfter Negativpreise erleben? Und wie können Unternehmen davon profitieren?
Heidrich: Negative Preise entstehen, wenn die Erzeugung von Elektrizität aus Solar und Wind den Verbrauch übertrifft. Das wird bald noch häufiger vorkommen und frühestens mit Beginn des nächsten Jahrzehnts wieder abflauen, weil erst dann Flexibilitäten und Speicher zur Verfügung stehen. Verbraucher können Nutznießer von Negativpreisen sein, wenn sie dynamische Stromtarife in ihre Beschaffung mit einbeziehen. Wir als EHA praktizieren genau das schon lange erfolgreich für einige unserer Kunden, abhängig von deren Sicherheitsbedürfnis und Risikoaffinität.
Die Dunkelflaute im Dezember 2024 sorgte für Verunsicherung. Geht der Ausbau der Erneuerbaren Energien in dieser Phase der Energiewende zu Lasten der Versorgungssicherheit?
Heidrich: Unser energiepolitisches Zieldreieck in Deutschland besteht aus den Seiten Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit. Die drei Seiten stehen in Wechselwirkung miteinander und sind gleichwertig zu betrachten. Zuletzt haben wir einen starken Fokus auf die Umweltverträglichkeit gelegt und das ging zulasten der beiden anderen Seiten. Das Resultat sind Dunkelflauten mit extrem hohen Strompreisen. In Zukunft werden wir diese Zustände noch öfter erleben.
Auf der anderen Seite ist unsere Versorgungssicherheit durch eine Überlastung des Stromnetzes mit Ökostrom bedroht. Die große Menge privater Erzeugungsanlagen produziert starr und lässt sich nicht abregeln. Denkbar wäre daher ein Szenario, dass an sehr sonnigen Feiertagen wie beispielsweise Ostern der Verbrauch sinkt und die Einspeisung immens ansteigt. Dann könnte es passieren, dass die Netzbetreiber Leitungen zeitweilig „kappen“ – das wäre ein sogenannter Brownout.
Haben Sie energiepolitische Wünsche an eine neue Bundesregierung?
Heidrich: Bei der Umsetzung der Energiewende muss das Zieldreieck (s. o.) gleichschenklig bleiben, denn alle drei Seiten sind gleich wichtig. Außerdem hoffe ich grundsätzlich auf handwerklich gut gemachte Gesetze.
Ganz konkret wünschenswert wäre zum Beispiel eine Reform der Netzentgeltrabatte. Aktuell gilt für bestimmte Kundengruppen eine Bandlastprivilegierung. Nach § 19 Absatz 2 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) profitieren insbesondere industrielle Stromabnehmer von einem deutlich reduzierten Sondernetzentgelt, wenn sie möglichst dauerhaft über den Jahresverlauf eine hohe Strommenge beziehen. In einem konventionellen Stromerzeugungssystem haben solche planbaren, hohen Bezugsmengen positive Effekte. Inzwischen haben wir aber ein Stromsystem, das von hohen Anteilen erneuerbarer Erzeugung geprägt ist und das Flexibilität verlangt. Die Rabattierung von Bandlasten halte ich daher für nicht mehr zeitgemäß.
Ein weiterer Ansatzpunkt wäre die Abschaffung der Stromsteuer. Diese Steuer wurde geschaffen, um Energie zu verteuern, Einsparanreize zu setzen und umweltfreundliche Energieträger zu begünstigen. Heute haben wir eine CO₂-Bepreisung, die genug Anreiz zum Stromsparen gibt.

Über EHA
Die EHA Energie-Handels-Gesellschaft ist der Energiedienstleister für Unternehmen mit vielen Standorten. Als verlässlicher Partner in allen Energiethemen bieten wir ein breites Spektrum an Services und Mehrwerten, die immer genau auf die Bedürfnisse unserer Kunden zugeschnitten sind.