Die energiepolitischen Vorhaben der neuen Bundesregierung
Aktualisiert

Jan-Oliver Heidrich, EHA-Geschäftsführer und Vorsitzender des Energieausschusses beim Handelsverband Deutschland (HDE), bewertet in diesem Beitrag die energiepolitischen Vorhaben der neuen Bundesregierung im Einzelnen.
Die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat bereits im Mai 2025 einige der energiepolitischen Pläne der neuen Regierung konkretisiert (Reiches Aussagen gibt es hier im Video). Auch im Rahmen des Beschlusses des Bundeshaushaltes sind im Juni 2025 weitere Vorhaben bekanntgegeben bzw. konkretisiert worden.
Zusammenfassung der energiepolitischen Vorhaben
Die neue Bundesregierung plant keine Rückkehr zur Atomkraft in Deutschland. Stattdessen wird der Ausbau der erneuerbaren Energien weiter forciert und die Kernfusion soll das Energieproblem der Zukunft lösen.
Die schwarz-rote Koalition betont die Bedeutung des europäischen Emissionshandels und der nationalen CO2-Bepreisung. Beide Instrumente sollen dafür sorgen, dass der Treibhausgasausstoß schrittweise verteuert wird, um so einen Anreiz zu bieten, in klimafreundliche Technologien zu investieren.
Grundsätzlich soll bei der Energiewende künftig stärker auf Bezahlbarkeit und Kosteneffizienz geachtet werden.
Weitere Vorhaben im Überblick
Energiemonitoring bis Sommer 2025 als Grundlage
Um eine Grundlage für die Energiepolitik zu schaffen, wird bis zum Sommer 2025 ein Monitoring durchgeführt, das den zu erwartenden Strombedarf sowie den Stand der Versorgungssicherheit, des Netzausbaus, des Erneuerbaren-Ausbaus, der Digitalisierung und des Wasserstoff-Hochlaufs erfasst.
Kernfusion als Perspektive
CDU/CSU und SPD setzen laut Koalitionsvertrag perspektivisch auf die Nutzung der Kernfusion. Danach soll binnen 10 bis 15 Jahren der erste Fusionsreaktor in Deutschland gebaut werden.
Erneuerbare Energien-Anlagen sollen sich am Markt refinanzieren
Beim Erneuerbaren-Ausbau geben die Koalitionäre das Ziel aus, dass sich die Anlagen perspektivisch vollständig am Markt refinanzieren. Für den weiteren Hochlauf von Erneuerbaren und Speichern soll ein gesicherter Investitionsrahmen gewährleistet sein – bei verstärkter Einbindung marktwirtschaftlicher Instrumente.
Neugestaltung der Förderung von Photovoltaik
Die Förderung der Photovoltaik soll in Verbindung mit Speichern systemdienlich ausgestaltet werden, Betreiber von Bestandsanlagen bekommen Anreize für eine netzdienliche Einspeisung.
Die Anmeldung von Photovoltaik-Anlagen soll durch Digitalisierung und Standardisierung vereinfacht werden.
Außerdem wird geprüft, ob Bestandsanlagen bei negativen Strompreisen keine Einspeisevergütung mehr erhalten sollen, um Überschussproduktion zu vermeiden.
Bau neuer Gaskraftwerke
Zu den konkreten Aussagen in der Energiepolitik zählt auch der Bau neuer Gaskraftwerke mit einer Leistung von bis zu 20 Gigawatt (GW) in den nächsten fünf Jahren.
Diese Anlagen sollen als Backup für Zeiten geringer Erneuerbaren-Einspeisung dienen. Da sie als redundante Systeme selten laufen würden, ist eine Förderung für ihre Realisierung notwendig.
Neues Gebäude-Energie-Gesetz (GEG)
Die Bundesregierung plant eine Neufassung des Gebäude-Energie-Gesetzes. Dieses soll den gesamten CO₂-Ausstoß eines Gebäudes berücksichtigen und technologieoffener ausgestaltet sein.
Strompreise senken
Unternehmen und Verbraucher sollen ab Jahresbeginn 2026 bei den Energiekosten entlastet werden.
Für die Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft will die neue Bundesregierung die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß von 0,05 Cent pro Kilowattstunde senken, was ursprünglich für alle Abnehmer vorgesehen war.
Generell sollen Umlagen und Netzentgelte reduziert werden, perspektivisch sollen die Netzentgelte sogar dauerhaft gedeckelt werden. Es bleibt bei einer einheitlichen Stromgebotszone.
Darüber hinaus wird ein staatlich subventionierter Industriestrompreis von fünf Cent pro Kilowattstunde diskutiert – den Jan-Oliver Heidrich als „krassen Markteingriff“ bezeichnet.

Bewertung und Einordnung durch Jan-Oliver Heidrich, EHA-Geschäftsführer
Jan-Oliver Heidrich, EHA-Geschäftsführer und Vorsitzender Energieausschuss beim Handelsverband Deutschland (HDE) kommentiert die Pläne der neuen Bundesregierung.
Bedeutet der Koalitionsvertrag einen energiepolitischen Bruch oder Kontinuität?
Große Überraschungen sind ausgeblieben, vieles kennen wir schon aus der Vergangenheit. Kontinuität wird zum Beispiel bei den Ausbauzielen der Erneuerbaren gewahrt und auch beim Zubau von Gaskraftwerken. Ein neuer Akzent ist hingegen der Fokus auf Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit. Das ist auch notwendig, denn zuletzt sind beide Aspekte vernachlässigt worden. Mit dem energiepolitischen Zieldreieck haben wir die zentralen Punkte der deutschen Energiepolitik eindrücklich dargestellt: Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit stehen in Wechselwirkung miteinander und müssen gleichwertig betrachtet werden.
Mit Beschluss des Bundeshaushaltes für 2025 wurden nun zentrale Aspekte aus dem Koalitionsvertrag konkretisiert und teilweise wieder zurückgenommen – wie die allgemeine Absenkung der Stromsteuer für alle Verbraucher. Wie blicken Sie darauf?
Die Entscheidung, die zugesagte Absenkung der Stromsteuer nun für einige - wie zum Beispiel den Handel - wieder zurückzunehmen, ist aus unserer Sicht enttäuschend und nur schwer nachvollziehbar. Eine zentrale Maßnahme aus dem Koalitionsvertrag einfach zu streichen, sendet kein gutes Signal – weder an die Wirtschaft noch an die Verbraucher. Verlässliche politische Rahmenbedingungen sind jedoch entscheidend für das Vertrauen in die Energiewende und für die Planungssicherheit aller Beteiligten. Hier wünschen wir uns eine klarere Linie und mehr Konsistenz.
Ursprünglich war die Stromsteuer als „Ökosteuer“ dazu bestimmt, Energie zu verteuern und fossile Brennstoffe weniger attraktiv zu machen. Heute haben wir aber die CO₂-Bepreisung, die Einsparanreize setzt.
Können Unternehmen im Allgemeinen trotzdem bald mit sinkenden Strompreisen rechnen?
Ja, hier wird sich folgendes bemerkbar machen: a) die Abschaffung der Gasspeicherumlage und b) die staatliche Subvention der Netzentgelte, wenn die Versorger die geringeren Netzkosten an die Verbraucher weitergeben – was allerdings zu erwarten ist.
Gerade die Senkung der Netzentgelte ist aber auch dringend geboten. Ein konkretes Beispiel ist der § 19 Absatz 2 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV). Industrielle Stromabnehmer bekommen Netzentgeltrabatte, wenn sie möglichst dauerhaft über den Jahresverlauf viel Strom beziehen. Abgesehen davon, dass eine solche Bandlastenprivilegierung nicht in ein System mit hohem Anteil volatiler Erzeugung passt, werden die entgangenen Erlöse per Umlage auf alle Netznutzer verteilt – allein die Rewe Group kostet das jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag.
Wie bewerten Sie den ebenfalls angedachten Industriestrompreis in Höhe von fünf Cent pro Kilowattstunde?
Ein krasser Markteingriff ohne Gegenfinanzierung! Der Industriestrompreis vermindert Flexibilität und nimmt Liquidität aus dem Markt. Stattdessen muss das System insgesamt effizienter werden.
Für energieintensive Unternehmen wird der Standort Deutschland ehrlicherweise zunehmend herausfordernd. Dagegen sind die Stromkosten gesamtwirtschaftlich betrachtet nur für vergleichsweise wenige Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Die Umstellung des Systems auf fossilfreie Erzeugung ist hingegen alternativlos.
Sorgt der angekündigte Zubau von neuen Gaskraftwerken mit 20 GW für ausreichend Versorgungssicherheit? Ist das die richtige Maßnahme, um die volatile Erneuerbare Energien-Erzeugung zu flankieren?
Deutschland braucht steuerbare Leistung, deshalb ist der Zubau von Gaskraftwerken grundsätzlich richtig und wichtig. Ob die genannte Leistung von 20 GW ausreicht oder nicht, wird erst die Zukunft zeigen. Die Energiewende ist ein Prozess und heute kann das niemand seriös einschätzen, weil wir viele Einflussfaktoren noch gar nicht kennen. Da diese Kraftwerke als redundante Systeme bestimmt sind, wird es jedenfalls eine Herausforderung sein, Investoren dafür zu finden. Ohne Förderung ist da nichts zu machen.
Die Bundesregierung will außerdem ein neues „technologieoffenes“ Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) verabschieden, das den gesamten CO2-Ausstoß der Gebäude berücksichtigt. Bedeutete das eine Verbesserung gegenüber der aktuellen Gesetzeslage?
Nein, wir leiden bereits unter Überregulierung und brauchen sicher kein neues Gebäude-Energie-Gesetz.
Von „technologieoffen“ kann im Kontext des GEG ohnehin keine Rede sein. De facto gibt es derzeit nur die Wärmepumpe, denn mit einer Gas- oder Ölheizung lässt sich der vorgeschriebene 65 Prozent-Anteil erneuerbaren Energien nicht erreichen.
Was begrüßen Sie außerdem bei den energiepolitischen Vorhaben?
Das Monitoring zum Strombedarf ist in der Zukunft sicherlich sinnvoll. So lässt sich beispielweise der kostspielige Netzausbau an realistischen Bedarfen orientieren.
Weiterhin halte ich es für überlegenswert, dass bei Photovoltaik-Bestandsanlagen eine Nullvergütung bei negativen Strompreisen geprüft werden soll. So schafft man Anreize, Erzeugungsüberschüsse zu vermeiden. Das Problem besteht schließlich schon länger und wird nun hoffentlich angegangen.
Als Energiedienstleister freuen wir uns auch über den Erhalt der einheitlichen Strompreiszone in Deutschland. Die Vorteile überwiegen bei Weitem. Ansonsten drohen Investitionen in Erneuerbare Energien auf der Strecke zu bleiben und die Akzeptanz für den dringend benötigten Netzausbau wäre gefährdet.

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