Interview mit Jan-Oliver Heidrich - Was bringt 2022?

Die Entwicklung der Energiewirtschaft mit Blick auf die Pläne der neuen Bundesregierung – ein Interview mit Jan-Oliver Heidrich, EHA-Geschäftsführer und Vorsitzender Energieausschuss beim Handelsverband Deutschland (HDE)
Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck hat in seiner Eröffnungsbilanz eine neue Ära der Energie- und Klimaschutzpolitik und ein „Klimaschutz-Sofortprogramm“ angekündigt. Brechen für die Erzeuger erneuerbarer Energien nun goldene Zeiten an?
Jan-Oliver Heidrich: Sicher nicht, auch wenn die Bedingungen für die Erneuerbaren Energien generell besser werden. Der Ausbau der Erneuerbaren soll von Unternehmen geleistet werden, für die sich diese Investitionen lohnen müssen. Allerdings ist das Strommarktdesign, das heißt der regulatorische Rahmen, nach wie vor ungeklärt. Es gibt viele Unwägbarkeiten. Wird zum Beispiel die überschüssige Energie weiterhin vergütet? Außerdem gilt es, die neuen Anlagen in den fälligen Netzausbau zu integrieren.
Auf Seiten der Politik gibt es übrigens eine verbreitete Fehleinschätzung, was die Investitionsmöglichkeiten von Wirtschaftsunternehmen anbelangt. Nur „weil sich das rechnet“, wird beispielsweise der Handel nicht automatisch Geld in den Ausbau Erneuerbarer Energien stecken. Es gibt ganz viel, was sich rechnet, bis hin zu Bitcoins. Die hohen Investitionen zur wettbewerblichen Marktsicherung im eigenen Kerngeschäft haben aber immer Vorrang.
Werden alle erneuerbaren Energien gleichermaßen von der neuen politischen Situation profitieren?
Jan-Oliver Heidrich: Vor allem die Photovoltaik wird Nutznießer der veränderten Lage. Ausdruck davon sind die aktuell steigenden Preise für PV-Anlagen. Die Umwandlung von Sonnenlicht in Energie ist hierzulande um einiges einfacher zu leisten als die Nutzung von Windkraft. Die Windanlagen sind bekanntermaßen von der Planung und auch bautechnisch deutlich schwieriger zu realisieren. Auf dem Land wehren sich vielerorts Anwohner mit Klagen gegen neue Windanlagen und Offshore-Projekte sind sehr anspruchsvoll.
Im Koalitionsvertrag ist eine komplette Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Januar 2023 geplant. Warum ist das ein Schritt in die richtige Richtung?
Jan-Oliver Heidrich: Mittlerweile haben wir 50 Prozent Erneuerbare Energien im System, da sollen sich die Anlagen am Markt beweisen und nicht mehr per Gießkanne gefördert werden. Ohnehin liegt die EEG-Umlage derzeit de facto bei Null, weil die Marktpreise höher als die Förderpreise sind. Das Instrument sorgt schon seit Jahren für viele Ungerechtigkeiten, staatliche Infrastruktur sollte nicht über Umlagesysteme, sondern über Steuern finanziert werden. Der HDE hat diese Ansicht bereits 2016 in einem Positionspapier vertreten – das lange Bohren dicker Bretter…
Die EU-Kommission will Investitionen in Kern- und Gaskraftwerke für nachhaltig und damit förderwürdig erklären. Wie nachhaltig sind diese Technologien aus Ihrer Sicht?
Jan-Oliver Heidrich: Natürlich sind Atomkraft und Gaskraft keine nachhaltigen Technologien. Trotzdem ist das Gesetz als Teil der sogenannten EU-Taxonomie eine pragmatische Lösung. Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung sind wir nämlich auf Brückentechnologien dringend angewiesen. Während zum Beispiel Frankreich sich für die Kernenergie entschieden hat und zur Zeit gar nicht anders kann, setzt Deutschland auf Gaskraftwerke, um die Folgen des Atom- und Kohleausstiegs abzufedern. Und die Betreiber dieser Gasmeiler brauchen einen Anreiz für ihre Investitionen, denn als bloße Lückenbüßer bei Versorgungsengpässen der Erneuerbaren sind die Anlagen nicht rentabel. Und hier landen wir wieder beim Strommarktdesign – das ist ein wesentliches To-do für die neue Bundesregierung!

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