Nichts mehr, wie es war – 20 Jahre liberalisierter Energiemarkt

20 Jahre liberalisierter Energiemarkt
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Runder Geburtstag für den liberalisierten Energiemarkt. Mit der Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie in deutsches Recht begann 1998 ein bis heute andauernder radikaler Wandel. Auch wenn rückblickend die Hoffnung auf sinkende Energiepreise enttäuscht wurde, konnten bemerkenswerte Erfolge erzielt werden. Dazu zählen eine Automatisierungswelle bei den Prozessen und vor allem der schnelle Aufstieg der erneuerbaren Energien.

Im ersten Halbjahr 2018 war es soweit: Erstmals haben die erneuerbaren Energien mehr Strom erzeugt als die Kohlekraftwerke und avancierten damit zu Deutschlands wichtigster Stromquelle. Ihr Anteil an der Gesamtstromerzeugung betrug zuletzt rund 36 Prozent. Diese eindrucksvolle Entwicklung wäre ohne die Liberalisierung des Energiemarkts undenkbar.

Die Energieversorgung war in Deutschland lange als natürliches Monopol betrachtet worden, an dem auch in einer Marktwirtschaft nicht gerüttelt werden sollte. So lag der Bereich komplett in der Hand weniger großer Produzenten und regionaler Versorgungsunternehmen, die den Markt im Querverbund beherrschten. Wettbewerb? Fehlanzeige. Leidtragende waren die Verbraucher angesichts ständig steigender Energiepreise. Zur Steigerung der Effizienz o. ä. fehlten die Anreize.

Angekurbelter Wettbewerb

Im April 1998 gab das „Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts“ den Startschuss für freien Wettbewerb. Zu Gunsten der Verbraucher sollte Konkurrenz auf dem Strom-und Gasmarkt entfacht werden. Von der Liberalisierung versprach man sich zudem Innovationen im Bereich der Energieerzeugung und eine Konsolidierung der Energieversorgungsunternehmen.

Auf die guten Erfahrungen des zuvor liberalisierten Telekommunikationssektors folgend, drängten nach der Öffnung zahlreiche Energiepioniere auf den Markt. Heute sind diese Unternehmen fast alle verschwunden, was den ungleichen Verhältnissen beim Stromnetz-Zugang geschuldet war. Die anfangs fehlende Chancengleichheit gefährdete das gesamte Projekt und daher wurde 2005 die Bundesnetzagentur geschaffen. Seitdem wacht diese Regulierungsbehörde als unabhängige Instanz über den Wettbewerb und sorgt u. a. dafür, dass jedem Stromanbieter ein Zugang zu den Versorgungsnetzen ermöglicht wird.

Als weiterer Meilenstein folgte im Jahr 2010 die Liberalisierung des Mess- und Zählerwesens für einen wettbewerblichen Messstellenbetrieb. Die Bereiche Transport und Verteilung der Energie blieben weiterhin als natürliche Monopole reguliert, d. h. der Wettbewerb ist beschränkt auf Erzeugung, Handel und Vertrieb.

Der Staat als Nutznießer der Liberalisierung

Die Liberalisierung des Energiemarktes veränderte die Strompreisbestandteile. Hatte dieser sich früher aus dem reinen Energiepreis, den Netzentgelten und der Umsatzsteuer zusammengesetzt, kamen nun eine Vielzahl von Abgaben und Umlagen hinzu. Unter dem Strich standen zunächst tatsächlich sinkende Preise, damit war es aber schnell wieder vorbei. Der Strom zum Beispiel ist heute doppelt so teuer wie vor der Liberalisierung. Verantwortlich für die Kostenexplosion sind die neuen staatlichen Abgaben und Umlagen. Der eingeführte Emissionshandel verteuerte die Energie aus fossilen Produktionsanlagen und der beschleunigte Atomausstieg nach der Fukushima-Katastrophe verknappte die Erzeugungskapazität zusätzlich.

Als problematisch erwiesen sich die vielen Sonderregelungen in Bezug auf Industrievorteile bei Abgaben und Umlagen sowie eine fortschreitende Bürokratisierung. All dies führte zu großer Unsicherheit und Beratungsbedarf bei den Unternehmen.

Anschub für Ökostrom und Energieeffizienz

Zu den Errungenschaften der Liberalisierung des Energiemarktes zählt der Aufstieg der erneuerbaren Energien. Die Liberalisierung schuf die Rahmenbedingungen für eine staatlich eingeleitete, marktgesteuerte Energiewende von fossiler Energie und Kernenergie hin zu erneuerbaren Energieträgern und Ökostrom. Außerdem erlebte die Branche eine Automatisierungswelle im Bereich der Abwicklungs- und Kundeninformationssysteme sowie der Versorgungsprozesse. Ebenso erlangte die Energieeffizienz mit der Sichtbarmachung der Verbrauchsdaten einen neuen Stellenwert.

Überregionale Energieversorgung für Unternehmen

Die Liberalisierung des Energiemarktes wirkte auch auf die Wertschöpfungsstufen innerhalb der Energieversorgungsunternehmen. Das Ergebnis war eine Aufsplittung in Erzeugung, Handel, Vertrieb, Verteilung und Abnahme. Durch die Möglichkeit der überregionalen Versorgung ließen sich Preisvorteile für die Verbraucher erzielen. Erstmals konnten deutschlandweite Standorte zentral durch einen Anbieter über einheitliche Strukturen und Prozesse bedient werden. Zu diesem Zweck wurde 1998 auch die EHA Energie-Handels-Gesellschaft gegründet.

Wie geht es mit der Liberalisierung weiter?

Die Liberalisierung des Energiemarktes verlangt eine umsichtige Regulierung. Zu diesem Zweck verhandelt die EU derzeit das Gesetzespaket Clean Energy Package. Hier geht es unter anderem um den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Energiemarktreform. Der Liberalisierungskurs wird fortgesetzt hin zu einem immer stärker integrierten EU Binnenmarkt für Energie. Vor allem der grenzüberschreitende Stromhandel und der Netzausbau sollen gestärkt werden.

Der liberalisierte Energiemarkt verlangt digitale Versorgungsunternehmen insbesondere im Bereich der Service-Prozesse und der Dienstleistungen für die Kunden. Die immer größere Transparenz befeuert den Wettbewerb in allen Stufen der Wertschöpfungskette.

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