Market Coupling beim Strom – Warum Deutschland europäische Strompreise hat
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Europa strebt einen einheitlichen Strommarkt an, um die Versorgungssicherheit zu steigern, die Kosten zu senken und die Erneuerbaren Energien zu fördern. Der zusammenwachsende Binnenmarkt bestimmt zudem auch die Strompreisbildung.
Jan-Oliver Heidrich, EHA Geschäftsführer und Vorsitzender Energieausschuss beim HDE, erläutert das Prinzip des Market Coupling und die Konsequenzen daraus.
Was ist Market Coupling und warum wird es betrieben?
Im Rahmen des Market Coupling werden die Regelzonen – geografisch festgelegte Netzgebiete innerhalb eines Stromnetzes – und Marktgebiete der europäischen Länder zunehmend miteinander verknüpft, um die Systeme von Strombörsen zu vereinheitlichen, Übertragungskapazitäten effizienter zu nutzen und Preise anzugleichen.
Hierzu muss man wissen, dass die nationalen Stromnetze über sogenannte (Grenz-)Kuppelstellen physisch miteinander verbunden sind und die Energie ohnehin stets den kürzesten Weg vom Erzeuger zum Verbraucher nimmt.
Wie sind die Abläufe bei der Kopplung der Märkte?
Um den grenzüberschreitenden Stromhandel zu optimieren und die Effizienz des europäischen Strommarktes zu erhöhen gibt es verschiedene Marktkopplungsmechanismen.
Zwei der wichtigsten Mechanismen sind:
Price Coupling of Regions (PCR)
Das „Price Coupling of Regions“ (PCR) ist eine Initiative europäischer Strombörsen. Das System berechnet die Strompreise der europäischen Länder unter Berücksichtigung der verfügbaren Kuppelkapazität der Netze und vermittelt Strom aus einem Land mit niedrigen Preisen an eines mit hohen Preisen. Dies führt dann zu einer Annäherung der Marktpreise in den Ländern.
Flow Based Market Coupling
Einen Schritt weiter geht das „Flow Based Market Coupling“ (FBMC), an dem heute 13 Länder, darunter auch Deutschland beteiligt sind. Das FBMC stellt durch eine noch engere Verzahnung von Kapazitätszuteilung und Marktgeschehen größere grenzüberschreitende Transportkapazitäten sicher. Nach der Preisbildung an den nationalen Strombörsen berechnet die European Power Exchange (EPEX SPOT) in Paris täglich zur Mittagszeit über einen Algorithmus die Übertragungskapazität. Anhand eines Netzmodells und des Handelsergebnisses wird dadurch eine sogenannte wohlfahrtsoptimierte Kapazitätsverteilung erreicht.
Vereinfacht gesagt werden freie Stromkapazitäten als Nachfrage an die Strombörsen der Nachbarländer übermittelt und so gleichen sich die Preise an.
Welchen Einfluss haben die deutschen Erzeuger auf den Strompreis?
Der einseitige Blick auf den deutschen Markt hat nur noch sehr wenig Aussagekraft. Die Strompreisbildung ist sehr komplex und nur schwer nachzuvollziehen, auch weil die physischen Handelsströme nicht direkt, sondern über Umwege laufen. Wir wissen gar nicht mehr aus welchen Ländern und aus welchen Kraftwerken unsere Energie stammt. Maßnahmen zur Preisgestaltung auf nationaler Ebene sind kaum möglich und wirken immer auch außerhalb von Deutschland.
Was bedeutet der deutsche Atomausstieg hinsichtlich des gemeinsamen Strommarkts?
Unser Ausstieg aus der Kernkraft hat den Strom international verteuert. Die anderen europäischen Länder müssen die Mehrkosten über den gemeinsamen Strommarkt mittragen, während die Belastung für Deutschland abgefedert wird. Daher wird der deutsche Atomausstieg in den Nachbarländern durchaus kritisch betrachtet.
Wie sehen die Konsequenzen für Deutschland aus?
Tatsächlich hat Deutschland seit dem Atomausstieg merklich mehr Strom importiert als im Vergleichszeitraum der Vorjahre. Das ist kaum verwunderlich, weil der Wegfall von Erzeugungsleistung nicht folgenlos bleiben kann.
Allerdings lässt sich aus der negativen Strombilanz keine Gefährdung der Versorgungssicherheit ableiten. Der importierte Strom war schlichtweg billiger zu haben, als wenn man zur Bedarfsdeckung heimische Kraftwerke hochgefahren hätte.
Deutschland setzt also bewusst auf Stromimporte, ist aber nicht davon abhängig. In Zukunft könnte es jedoch zu einer Abhängigkeit kommen, was angesichts eines gemeinsamen europäischen Strommarktes nicht zwangsläufig schlimm wäre. Österreich zum Beispiel ist seit Jahren auf Stromimporte angewiesen. Fraglich ist aber zudem, ob unsere Nachbarländer dauerhaft so viel Strom exportieren möchten.
Wo liegt Verbesserungspotenzial im europäischen Strommarkt?
Der gemeinsame Strommarkt schreibt grundsätzlich eine Erfolgsgeschichte. Seine Instrumente funktionieren immer besser, die Preise gleichen sich stetig an. Gerade Deutschland profitiert, weil der Strom hierzulande ohne den Binnenmarkt definitiv teurer wäre.
Aus der Perspektive eines Unternehmens, das mit Strom handelt, wünsche ich mir allerdings mehr Transparenz. Wie genau bilden sich die Preise? Die EPEX Spot sollte stärker über die Funktionsweise des verwendeten Algorithmus informieren.

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