Strommix Deutschland: Aktueller Stand, Herausforderungen & Entwicklungen

Aktualisiert

Strommix in Deutschland: Photovoltaikanlagen sorgen für einen hohen Anteil erneuerbarer Energien

Der Anteil Erneuerbarer Energien im deutschen Strommix steigt seit Jahren beständig an und lag zuletzt mit Blick auf die Nettostromerzeugung bei rund 60%. Mit Blick auf die angestrebte Energiewende in Deutschland eine gute Entwicklung. Doch bringen die Veränderungen im Strommix auch Herausforderungen mit sich.

In diesem Artikel beleuchten wir zusammen mit Jan-Oliver Heidrich, EHA Geschäftsführer und Vorsitzender des Energieausschusses beim Handelsverband Deutschland HDE, den Status quo, aktuelle Entwicklungen und die Herausforderungen durch die Veränderungen beim Strommix.

Definition Strommix

Der Begriff Strommix bezeichnet die anteilige Zusammensetzung des erzeugten Stroms nach Energiequellen.

Dabei wird unterschieden zwischen:

  • erneuerbaren Energiequellen, solchen, die sich auf natürliche Weise regenerieren und praktisch unbegrenzt verfügbar sind (Solarenergie, Windenergie, Wasserkraft, Geothermie und Biomasse), und
  • konventionellen Energiequellen, solchen, die auf endlichen Ressourcen basieren, wie fossile Brennstoffe (Kohle, Erdöl und Erdgas) sowie Kernenergie.

Gut zu wissen: Der Unterschied zwischen Brutto- und Nettostromerzeugung

Bruttostromerzeugung: Die gesamte Strommenge, die erzeugt wird. Inklusive Strom, der beispielsweise für den Eigenbedarf eines Kraftwerks genutzt wird, wie z. B. für den Betrieb von Pumpen, Beleuchtung oder Steuerungssystemen.

Nettostromerzeugung: Die Strommenge, die tatsächlich ins öffentliche Stromnetz eingespeist wird und den Verbraucher wie Haushalte oder Unternehmen nutzen können.

Aktuelle Entwicklungen beim Strommix in Deutschland

Aktuell liegt der Anteil Erneuerbarer Energien an der gesamten Nettostromerzeugung in Deutschland bei rund 60% – Tendenz steigend.

Seit dem Start der Förderung von Erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahr 1990 und insbesondere der Einführung des Gesetzes für den Ausbau Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetzes, EEG) Jahr 2000 hat sich der Anteil Erneuerbarer Energien am Strommix in Deutschland kontinuierlich nach oben entwickelt.

Anteil Erneuerbarer Energien an der gesamten Nettostromerzeugung und Last in Deutschland

Anteil Erneuerbarer Energien an der gesamten Nettostromerzeugung und Last in Deutschland im Zeitverlauf
Anteil Erneuerbarer Energien an der gesamten Nettostromerzeugung und Last in Deutschland im Zeitverlauf, Quelle: www.energy-charts.info

Der Strommix nach Erzeugungsquellen

Die wichtigsten Erzeugungsquellen bei den Erneuerbaren Energien – mit Blick auf ihre reine netto Erzeugungsleistung – sind Windkraft und Solar-Strom. Ihr Anteil lag für das Jahr 2024 bei ca. 33% (Windkraft) und ca. 15% (Solar-Strom).

Bei den konventionellen Energiequellen wird der meiste Strom mittels Braunkohle und Gas erzeugt – beide Energiequellen zusammen hatten im Jahr 2024 einen Anteil von ca. 29% an der Nettostromerzeugung.

Strommix Deutschland nach Erzeugungsquellen 2024
Strommix Deutschland nach Erzeugungsquellen 2024, Quelle: www.energy-charts.info

Entwicklung des CO2-Emissionfaktors für den Strommix

Unter anderem begründet durch den gestiegenen Anteil der Erneuerbaren Energien im Strommix ist gleichzeitig der CO2-Emissionsfaktor für den Strommix kontinuierlich gesunken:

Entwicklung des CO₂-Emissionsfaktors für den Strommix in Deutschland in den Jahren 1990 bis 2023, (in Gramm pro Kilowattstunde)
Entwicklung des CO₂-Emissionsfaktors für den Strommix in Deutschland in den Jahren 1990 bis 2023, (in Gramm pro Kilowattstunde), Quelle: Statista

Auswirkungen des Wegfalls der Atomkraft seit April 2023

Bereits seit April 2023 verzichtet Deutschland auf Strom aus Atomkraft, was entgegen einigen Befürchtungen, sogar zu einer weiteren Verringerung des CO2-Emissionfaktors für den Strommix geführt hat, wie Jan-Oliver Heidrich zu berichten weiß:

„Bislang ist der deutsche Strommix nicht schmutziger geworden. Seit dem Atomausstieg wurde in Deutschland sogar weniger Strom aus fossilen Quellen erzeugt als in den meisten Vergleichs­zeiträumen der vergangenen Jahre. Die weggefallene Leistung der AKW wurde nicht durch Kohle­verstromung, sondern durch einen reduzierten Verbrauch und gesteigerte Stromimporte kompensiert.“

Gestiegene Stromimporte stützen saubereren Strommix

Die angestiegenen Stromimporte der letzten Jahre führen ebenfalls dazu, dass der Strommix in Deutschland sauberer wird.

Stromimporte & -exporte von Deutschland

Jährlicher grenzüberschreitende physikalische Stromflüsse von Deutschland
Jährliche grenzüberschreitende physikalische Stromflüsse von Deutschland. Positive Werte bedeuten Import.
Quelle: www.energy-charts.info

„Der importierte Strom hat einen niedrigeren fossilen Anteil als unsere heimische Erzeugung. Hätte Deutschland diese Energie nicht eingeführt, sondern mit Gas- und Kohlekraftwerken selbst erzeugt, wären jedenfalls mehr Emissionen entstanden.“

Ein anderes Bild ergäbe sich laut Heidrich allerdings, wenn die Stromimporte zukünftig reduziert werden würden:

„Sollten die Stromimporte zukünftig reduziert werden, ginge das zu Lasten unserer CO2-Bilanz. Auch während der sonnenarmen Wintermonate könnte der Strommix schmutziger werden, weil die Erneuerbaren dann deutlich weniger zur Deckung des Verbrauchs beitragen. Große Auswirkungen erwarte ich aber nicht.“

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Die zukünftige Entwicklung des Strommixes

Mit Blick auf die angestrebte Energiewende in Deutschland, dem dafür angestrebten Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2023, und beispielsweise die Treibhausgasminderungsziele, wird der Anteil der Erneuerbaren Energien am Strommix in Deutschland weiter steigen (müssen).

Energieversorgung aus Erneuerbaren – wann sind wir bei 100 Prozent?

„Grundsätzlich sind die Entwicklungen beim Ausbau der Erneuerbaren immer sehr kurzfristig und stark geprägt von den Fördersystemen. Eine seriöse Prognose, bis wann wir 100 Prozent Erneuerbare erreichen, fällt daher schwer. Jedenfalls hat sich Deutschland das politische Ziel gesetzt, im Jahr 2045 klimaneutral zu sein. Technisch möglich ist es allemal, allerdings auch kostenintensiv.“

Herausforderungen mit Blick auf den Strommix

Aktuell geht der Ausbau der Erneuerbaren Energien zu langsam voran und müsste laut der Bundesregierung sogar verdreifacht werden, um die gesetzten Ziele bis 2023 zu erreichen. Zudem stellen der langsam voranschreitende Netzausbau, mangelnde Speicher- und knappe Reservekapazitäten Herausforderungen dar, die es zu überwinden gilt.

Doch nicht nur der Ausbau Erneuerbarer Energien an sich bringt große Herausforderungen mit sich, sondern auch der Umgang mit den Eigenarten von Erneuerbarer Energie.

Volatilität in der Stromerzeugung

Eine der größten Herausforderungen beim Umbau des Strommixes, hin zur klimaneutralen Stromerzeugung, liegt in der Volatilität der Stromerzeugung durch Erneuerbare Energien.

Volatilität in der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien bezieht sich auf die Schwankungen in der Stromproduktion, die hauptsächlich durch Wetter- und Umweltbedingungen verursacht werden. Diese Schwankungen in der Erzeugung betreffen vor allem Wind- und Solarenergie, deren Erzeugung von Faktoren wie Windstärke, Sonneneinstrahlung, Tageszeit und Jahreszeit abhängt.

Mit steigendem Anteil Erneuerbarer Energien wird es immer schwieriger, die Balance zwischen Stromangebot und -nachfrage zu halten. Dadurch entsteht ein erhöhter Bedarf an flexiblen Kraftwerken und Speichertechnologien, um Schwankungen auszugleichen.

Volatilität der Strompreise – negative Preisstunden und Preisshocks

Zudem beeinflusst die Volatilität in der Stromerzeugung den Strommarkt und führt zu deutlichen Preisschwankungen.

So gab es beispielsweise am 16.10.2024 für 16 Stunden negative Strompreise, weil sowohl durch Windkraft- als auch durch Solarstrom ein so großer Überschuss an Strom produziert wurde, der weder gespeichert noch exportiert werden konnte.

„Tatsächlich ist davon auszugehen, dass das Phänomen negative Preisstunden zukünftig häufiger auftreten wird. Die Ursachen sind nicht-regelbare Kraftwerke und der Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Die Strompreise werden in vielen Stunden allerdings auch deutlich höher sein als heute.“

Solch einen kurzzeitigen Strompreisschock gab es am 12.12.2024: abends kostete eine Megawattstunde Strom an der Strombörse zwischenzeitlich 936 Euro und war damit noch einmal teurer als auf dem Höhepunkt der Energiekrise, wo die Preise nicht höher als 900 Euro gelegen haben. Zum Vergleich: Im September lag der durchschnittliche Preis bei nur 78 Euro pro MWh.

„Unter dem Strich wird sich Strom verteuern, vor allem auch durch steigende Netzentgelte und Strom-Umlagen. Der Markt wird generell immer volatiler und wir werden große Preisschwankungen innerhalb kurzer Zeit erleben“, ist sich Jan-Oliver Heidrich sicher. Seine Empfehlung für Unternehmen lautet: „Unternehmen sollten daher unbedingt auf eine strukturierte Beschaffung setzen.“

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Auswirkungen auf den europäischen Markt

Doch nicht nur für den deutschen Markt bringt der weiter ansteigende Zubau von Erneuerbaren Energien Herausforderungen mit sich: Die Auswirkungen des deutschen Strommixes auf den europäischen Markt sind nicht zu unterschätzen.

Positive Effekte des deutschen Strommixes für Europa

Deutschlands Fähigkeit, bei passenden Wetterverhältnissen große Mengen Strom zu produzieren und damit zu exportieren, beeinflusst die Strompreise in benachbarten Ländern positiv und trägt zur Energiesicherheit in der Region bei.

Der Export von Strom auf Basis erneuerbarer Energien hilft auch, die CO2-Bilanz des europäischen Energiemixes zu verbessern.

Länder, die an Deutschland grenzen und von seinem Stromexport profitieren, können so ihren Anteil an fossilen Energiequellen reduzieren. Dies hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch ökologische Vorteile, da es dem globalen Ziel der Reduktion von Treibhausgasemissionen dient.

Herausforderungen für den europäischen Markt

Allerdings bringt der deutsche Strommix auch Herausforderungen mit sich, insbesondere während Dunkelflauten: In Dunkelflauten, wenn erneuerbare Energien kaum Strom liefern, steigt die Notwendigkeit von Stromimporten und der Stromproduktion aus fossilen Reserven, was zu höheren Kosten und einer stärkeren Belastung der europäischen Netze führen kann.

Zudem belasten ungeplante Stromflüsse Nachbarländer, und die Stabilität des europäischen Energiemarktes kann beeinträchtigt werden.

Um den neuen Herausforderungen besser gerecht zu werden, hat die Europäische Union im April 2024 eine Reform des gemeinsamen Strommarktes beschlossen. Alle Informationen dazu finden Sie im Beitrag „EU-Strommarktreform kommt – neues Strommarktdesign angestrebt“.

Wie lässt sich den Herausforderungen begegnen

Um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gerecht werden zu können, die der Umbau des Strommixes mit sich bringt, braucht es verschiedene parallele Entwicklungen:

  • Energiespeicher: Entwicklung und Einsatz von Speichertechnologien zur Pufferung überschüssiger Energie.
  • Netzausbau: Verbesserung der Infrastruktur zur besseren Verteilung und Integration erneuerbarer Energien.
  • Sektorenkopplung: Intelligente Verknüpfung von Strom-, Wärme- und Verkehrssystemen zur Erhöhung der Flexibilität.
  • Demand-Side-Management: Anpassung des Verbrauchs an die volatile Erzeugung.
  • Verbesserte Wettervorhersagen: Nutzung genauerer Prognosen zur besseren Planung der Stromerzeugung.

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