Strompreiszonen für Deutschland – Spaltkeil für unser Land
Jan-Oliver Heidrich über mögliche Preiszonen in Deutschland
Aktualisiert
An der Börse gehandelter Strom ist in Deutschland überall gleich teuer. Aber wie lange noch? Die EU-Regulierungsbehörde ACER hat bereits 2022 erstmals alternative Aufteilungen Deutschlands in Strompreiszonen als Szenario veröffentlicht, so wie es in anderen europäischen Ländern bereits der Fall ist.
Im April 2025 haben nun auch die europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) im sogenannten „Bidding Zone Study Report“ verschiedene Szenarien für eine Aufteilung Deutschlands in Strompreiszonen vorgestellt, wodurch die Diskussion neuen Auftrieb erhalten hat.
Signifikante Auswirkungen für Unternehmen erwartet
Würde Deutschland in unterschiedliche Strompreiszonen eingeteilt, würden sich die Börsenstrompreise in den Regionen deutlich unterscheiden – mit signifikanten Auswirkungen für filialisierte Unternehmen mit Standorten in ganz Deutschland. Der Geschäftsführer und Vorsitzende des Energieausschusses beim Handelsverband Deutschland (HDE) Jan-Oliver Heidrich erläutert und kritisiert die Pläne der EU in diesem Beitrag.
Der aktuelle Vorschlag: Günstiger Norden, teurer Süden?
Die EU-Regulierungsbehörde ACER hat 2022 vorgeschlagen, Deutschland in bis zu fünf Strompreiszonen aufzuteilen, was nun auch durch den neuen Bidding Zone Study Report unterstützt wird. So ließen sich die physischen Restriktionen – die aktuell begrenzten Stromtransportkapazitäten zwischen dem Norden und dem Süden durch den fehlenden Netzausbau – des regionalen Stromnetzes besser ausgleichen. Die Grenzen der Preiszonen sollten da verlaufen, wo wenig Leitungen vorhanden und das Netz nicht hinreichend ausgebaut ist – also entlang jener Netzabschnitte, die regelmäßig an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen und den Stromfluss zwischen den Regionen begrenzen. So würden die Preiszonengrenzen so gezogen, dass aus einem technischen Engpass ein wirtschaftliches Preissignal wird.
In der Konsequenz würde dann an der Strombörse nicht mehr nur ein einheitlicher Strompreis für Deutschland ermittelt, sondern, je nach Strompreiszonen, vier bis fünf unterschiedliche Preise.
Günstigere Börsenstrompreise im Norden
Damit würden die Börsenstrompreise in den Regionen sinken, die dauerhaft mehr Strom erzeugen als sie verbrauchen – vor allem im windstarken Norden. Mehrheitliche Nutznießer wären damit die norddeutschen Bundesländer, die ihre Windstromproduktion stark ausgebaut haben und zusätzlich vom Offshore-Ausbau profitieren.
Höhere Kosten im Süden
In der oder den Strompreiszonen des Südens wären somit im Jahresverlauf höhere Kosten zu erwarten, da der Strombedarf aufgrund des Industrialisierungsgrades hier hoch ist, die Stromerzeugung aber geringer. Ob sich dadurch neue Industrieunternehmen in günstigeren Strompreiszonen ansiedeln, oder etablierte Unternehmen aus teureren Zonen abwandern, ist dabei nicht ausgemacht.
Positionierung der Budesregierung bis Ende 2025
Die Bundesregierung muss bis Ende 2025 eine Positionierung zum aktuellen Vorschlag vorlegen. Sollte keine Einigung erfolgen, könnte die EU-Kommission bis Frühjahr 2026 eine Entscheidung treffen.
Der Einfluss der Netzentgelte
Nicht allein die an der Börse gebildeten Strompreise bestimmen die tatsächlichen Energiekosten – auch die regional unterschiedlichen Netzentgelte haben einen erheblichen Einfluss, insbesondere auf Verteilnetzebene. Sie spiegeln die Investitions- und Betriebskosten der Stromnetze wider, die sich je nach Region deutlich unterscheiden. Im Norden Deutschlands fallen die Netzentgelte teils höher aus, weil dort der Ausbau für Windparks und Offshore-Anbindungen besonders kostenintensiv ist. Im Süden sind die Netzentgelte bislang moderater, da hier weniger zusätzliche Netzkapazitäten für die Integration erneuerbarer Energien erforderlich sind – trotz des hohen Stromverbrauchs.
Mit einer Aufteilung in mehrere Strompreiszonen kämen zu diesen regionalen Unterschieden zusätzliche Preisgefälle an der Börse hinzu. Während der Norden von niedrigeren Marktpreisen profitieren könnte, blieben die Netzentgelte dort hoch. Im Süden hingegen würden höhere Börsenpreise und nur begrenzt niedrigere Netzentgelte zusammenkommen – was die Gesamtstromkosten für Unternehmen dort voraussichtlich steigen lässt.
Strompreiszonen in Europa: regional unterschiedliche Preise
Für Strompreiszonen in Europa gibt es bereits einige Beispiele: Italien hat sieben Preiszonen, Norwegen fünf, Schweden vier und Dänemark deren zwei.
In Schweden wird die Aufteilung inzwischen allerdings kontrovers diskutiert, da die großen Preisunterschiede zwischen dem günstigen Norden und dem teuren Süden für politischen Druck sorgen. Die Forderungen gehen so weit, dass die Rückkehr zu einer einheitlichen Zone diskutiert wird.
Preissignale entstehen nicht durch die einheitliche Stromgebotszone – Ein Gespräch mit Jan-Oliver Heidrich
Herr Heidrich, viele diskutieren aktuell über die Einführung mehrerer Strompreiszonen in Deutschland. Was ist aus Ihrer Sicht das Problem daran?
Jan-Oliver Heidrich: Nicht alles, was technisch sinnvoll erscheint, ist auch politisch vermittelbar oder wirtschaftlich gerecht. Die Energiewende wird gemeinschaftlich finanziert – über die EEG-Umlage haben alle Regionen, auch Bayern und Baden-Württemberg, ihren Beitrag geleistet. Wenn man einzelne Regionen nun bei den Strompreisen benachteiligt, würde das solidarische Prinzip aufgebrochen.
EHA: Also liegt die Ursache der falschen Preissignale nicht in der Stromgebotszone?
Heidrich: Genau. Die Preissignale entstehen durch den fehlenden Netzausbau – nicht durch eine einheitliche Stromgebotszone. Ein regional geteiltes Strommarktsystem würde das Problem also nicht lösen, sondern nur neue Ungleichgewichte schaffen. Hier muss die Politik ansetzen.
EHA: Wann wäre eine Umstellung auf mehrere Strompreiszonen überhaupt realistisch?
Heidrich: Frühestens ab 2029. Doch bis dahin wird sich das Energiesystem stark verändern – mit mehr Speichern, höherer Flexibilität und neuen Technologien. Eine Entscheidung über ein neues Marktdesign muss also heute getroffen werden, obwohl wir noch gar nicht genau wissen, wie das System dann konkret aussieht.
EHA: Und wie steht EHA zu diesem Thema?
Heidrich: Wir stehen klar hinter dem Prinzip einer gemeinsamen und einheitlichen Strompreiszone in Deutschland – für Planungssicherheit, für den Ausbau der Erneuerbaren und für eine gemeinschaftlich getragene Energiewende.
Statt Spaltung: Einheit durch Netzausbau sichern
Ein neues Marktdesign mit regionalen Strompreiszonen würde also nicht nur neue Ungleichgewichte schaffen. Es würde auch bestehende solidarische Prinzipien infrage stellen.
Statt das Strommarktsystem zu zerteilen, braucht es gezielte Investitionen in den Netzausbau. Nur so lassen sich physische Engpässe beheben, Preissignale sinnvoll steuern und die Integration erneuerbarer Energien vorantreiben.
Auch die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring spricht sich klar für diesen Weg aus: Mehr Leitungskapazität statt künstlicher Preisgrenzen.
Was Strompreiszonen für filialisierte Unternehmen bedeuten würden
Für Unternehmen mit Standorten in mehreren Regionen Deutschlands hätte eine Aufteilung in Strompreiszonen weitreichende Folgen. Heute profitieren diese Unternehmen von einheitlichen Marktbedingungen. Unabhängig davon, ob ihre Filialen, Werke oder Logistikzentren im Norden, Westen oder Süden liegen. Mit regional unterschiedlichen Börsenstrompreisen würde diese Planbarkeit entfallen.
Die wichtigsten Auswirkungen für Unternehmen wären:
- Differenzierte Energieeinkaufskonditionen: Preise müssen je Standort individuell betrachtet werden.
- Anpassung interner Verrechnungspreise: Regionale Unterschiede wirken sich auf interne Kostenstrukturen aus.
- Standortentscheidungen prüfen: Höhere regionale Strompreise im Süden könnten die Wirtschaftlichkeit einzelner Standorte beeinflussen.
- Preisgefälle aktiv managen: Unternehmen müssen die Volatilität zwischen den Regionen steuern, um Kosten zu kontrollieren.
- Betriebskosten im Blick behalten: Während der Norden von niedrigeren Beschaffungspreisen profitieren könnte, steigen im Süden die Stromkosten für energieintensive Prozesse.
Durch diese Veränderungen würde die Planungssicherheit für Multi-Site-Unternehmen deutlich abnehmen, und strategische Entscheidungen müssten stärker auf regionale Strompreise und das Preisgefälle zwischen den Regionen abgestimmt werden.
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