Reform der Netzentgelte: Aktuelles System passt nicht mehr
Die Transformation unserer Energiesystems stellt unser Stromnetz vor neue Herausforderungen.
Doch wer soll das bezahlen? Die Bundesnetzagentur schlägt nun eine Reform der Netzentgelte vor.
Jan-Oliver Heidrich, EHA Geschäftsführer und Vorsitzender im Energieausschuss beim Handelsverband Deutschland (HDE) erklärt im Interview, warum das bestehende System nicht mehr zeitgemäß ist und welche Lösungen er bevorzugt.
Herr Heidrich, ist das bisherige System der Stromnetzentgelte reformbedürftig?
Hintergrund der Reformbestrebungen ist, dass die Zahl der vollzahlenden Stromnetznutzer schrumpft, während die Netzkosten steigen und bereits mehr als ein Viertel des Strompreises ausmachen.
Heute sind immer mehr Verbraucher mit ihren PV-Anlagen zugleich Erzeuger und drängen als sogenannte Prosumer in den Markt. Zur Schaffung der nötigen Übertragungskapazitäten braucht es einen massiven Ausbau der Netze, der aber auch finanziert werden muss.
Die Netzentgeltstruktur ist schon lange nicht mehr zeitgemäß, sondern ein Ärgernis. Unser Energiesystem wird insgesamt immer dezentraler und dazu stehen zentralisierte Netzentgelte, die allein vom Verbraucher getragen werden, im Widerspruch.
Die Bundesnetzagentur plant, dass sich die Höhe der Netzentgelte zukünftig nicht mehr allein nach dem Stromverbrauch richtet. Auch die Einspeisung von selbst erzeugtem Strom soll darin berücksichtigt werden. Wie beurteilen Sie das?
Die Erzeuger sollten ebenfalls an den Kosten beteiligt werden, das halte ich nur für gerecht. Hier favorisiere ich fixe Netzentgelte mit einer möglichst großen Grundpreiskomponente. Auch einspeiseabhängige Leistungspreise sind denkbar.
Ein alternativer Vorschlag ist die Einführung dynamischer Netzentgelte, die sich nach aktueller tatsächlicher Auslastung des Netzes bemessen. Ist das praktikabel?
„Dynamische Netzentgelte sind in der Praxis schwer umsetzbar. Unsere Netzstruktur ist extrem heterogen, mit tausend Netzgebieten, die sich in Größe, Auslastung und Infrastruktur stark unterscheiden. Der Strommarkt selbst sendet bereits starke Preissignale. Ein zusätzliches Preissignal aus dem Stromnetz kann zwar Anreize setzen, macht das System aber noch komplexer – und das bei ohnehin schon starken Preisschwankungen. Ich sehe diesen Ansatz daher kritisch.“
Wie könnten mit Netzentgelten ansonsten Anreize für flexibles Verhalten gesetzt werden?
Das Potenzial flexibler Verbrauchsmuster wird häufig überschätzt. Im Bereich privater Haushalte sind zeitliche Verschiebungen – mit Ausnahme des Ladens von E-Autos – für das Netz kaum relevant. Und im gewerblichen Umfeld stoßen Flexibilitätsansätze schnell an Grenzen. Viele Unternehmen haben feste betriebliche Abläufe, die sich nicht ohne Weiteres an Preissignale koppeln lassen. In den Märkten der REWE-Group etwa müssen die Brötchen morgens frisch gebacken werden – das lässt sich nicht einfach verschieben.
Sollten auch Speicherbetreiber an den Netzkosten beteiligt werden oder ist das kontraproduktiv?
Aus meiner Sicht wäre es kontraproduktiv, Speicherbetreiber pauschal an den Netzkosten zu beteiligen. Auch wenn Speicher zuweilen eine Belastung für das Netz darstellen, zum Beispiel wenn sie bei niedrigen Strompreisen, egal wo in Deutschland, einspeichern, sind sie doch unverzichtbar für ein flexibles und klimafreundliches Energiesystem. Damit dieser vorankommt, braucht es verlässliche Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Anreize. Die Speicher müssen für Investoren attraktiv bleiben – das gelingt nicht, wenn sie durch zusätzliche Netzentgelte wirtschaftlich ausgebremst werden.
Fazit: Reform ja – aber mit Augenmaß
Die Reform der Netzentgelte ist notwendig, um den Netzausbau fair und zukunftsfähig zu finanzieren. Fixe Entgelte mit Beteiligung der Erzeuger könnten ein gangbarer Weg sein. Dynamische Modelle hingegen bergen laut Heidrich erhebliche Risiken für die Netzstabilität und erhöhen die Komplexität. Die Speicherbetreiber sollten von Netzentgelten ausgenommen sein, weil ihr Ausbau wichtig für die Energiewende ist. Klar ist: Der Umbau der Energieversorgung erfordert ein stabiles, gerechtes und investitionsfreundliches Netz – und dafür müssen die richtigen Anreize gesetzt werden.
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